Im Interview mit Herrn Keders

JURIST & EHEMALIGER PRÄSIDENT DES OBERLANDESGERICHTES HAMM

Johannes Keders studierte Rechtswissenschaft in Bonn. 1983 begann er seinen Staatsdienst als Richter. 1993 wurde er zum Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf ernannt, bevor er er verschiedene Verwaltungsaufgaben übernahm, unter anderem die Leitung der Abteilung Z (Personal und Recht) des Justizministeriums. Schließlich wurde Johannes Keders 2009 zum Präsidenten des Oberlandesgerichtes Hamm ernannt. Seit 2020 ist er im Ruhestand.

Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt

1. Was waren die wichtigsten Stationen Ihres Lebens / Ihrer Karriere?

Offen gestanden gab es keine „wichtigste“ Station, nicht privat, nicht in der Ausbildung und auch nicht beruflich. Jeder einzelne Lebensabschnitt war für mich wirklich wichtig, lehrreich, interessant, auch anstrengend. Keinen möchte ich missen. Jeder war auch essentiell für meinen weiteren Weg, ich könnte mir keinen wegdenken.

2. Was fasziniert Sie an der Rechtswissenschaft?

Die Herrschaft des Rechts als Grundlage für die unbedingte Ausrichtung der Entscheidungen an der Verfassung und den Gesetzen. Überdies die Erarbeitung einer den Tatsachen möglichst entsprechenden Entscheidungsgrundlage.

3. Hat Ihnen die richterliche Tätigkeit oder Ihre Funktion als Präsident des OLG mehr gefallen?

Die richterliche Tätigkeit hat meine Arbeit in den verschiedenen Gerichtsverwaltungsaufgaben, die ich bis hin zur Tätigkeit als Präsident des OLG ausgeübt habe, immer maßgeblich beeinflusst. Ein „mehr“ oder „weniger“ gibt es daher für mich nicht.

4. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, uns bei den diesjährigen Nudges & der NudgeNight zu unterstützen? Was hat Sie am Thema gereizt?

Der Gedanke, dass es neben der selbstverständlichen Befolgung der Regeln, die sich die Gesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat selbst schafft, etwas geben könnte, das (noch) mehr Menschen veranlasst, freiwillig das zu tun, was dem Sinn dieser Regeln entspricht.

5. Wie schätzen Sie Nudging aus juristischer Sicht ein? Halten Sie es für eine gute Option oder empfinden Sie Ver- und Gebote als effektiver? Oder sehen Sie Nudging womöglich sogar als verfassungsrechtlich/ grundrechtlich problematischen Eingriff?

Der Jurist antwortet gerne (und oft zu Recht) mit den Worten „das kommt darauf an“. Nudges sind, mit anderen Worten, nicht per se gut oder böse. Es hängt von ihrer Ausgestaltung im konkreten Fall ab – und dabei sehr stark auch davon, ob sie die im Grundgesetz geschützte Freiheit des Einzelnen einschränken.

Der Mensch darf nach dem Leitbild unserer Verfassung nicht nur frei denken und frei sein Leben bestimmen, er darf auch unvernünftig handeln. Vielleicht ist das, was im Moment unvernünftig erscheint, auch schlicht richtiger und langfristig klug. Die Geschichte ist voll von Beispielen irregeleiteter Menschen (Galileo Galilei: „und sie bewegt sich doch“). Unter anderem daran muss man alle Nudges messen. Sie dürfen keine Zwänge entwickeln, denen sich der Einzelne nicht oder nur sehr schwer entziehen kann; und sie dürfen auch nicht darauf abzielen, ihn (für ihn unbemerkt) von einer eigenen freien Entscheidung abzuhalten. Allein, dass sein Verhalten dann in den Augen derer, die den aus ihrer Sicht gut gemeinten, alternativlosen, vernünftigen Nudge entwickelt haben, das Verhalten des einzelnen Mitbürgers für nicht richtig halten, reicht nicht aus, die Freiheit durch Nudges zu beschränken. Das kann – und nur in den Grenzen der Verfassung – allein der Gesetzgeber in stark formalisierten Verfahren.

6. Und wie schätzen Sie es aus persönlicher Sicht ein?

Genau so, denn ich schätze privat meine Freiheit als mein höchstes Gut.

7. Denken Sie, Nudging hat eine Zukunft in der deutschen Rechtspolitik? Fällt Ihnen eine rechtliche Herausforderung ein, bei der Nudging eine Lösung liefern könnte?

Beide Fragen kann ich für mich leider immer noch nicht zufriedenstellend beantworten. Die Befassung mit Nudging bislang war interessant, lehrreich, aber sie ist beileibe nicht abgeschlossen. Vielleicht lebe ich aber auch nur zu stark in meiner Vorstellung einer am Recht orientierten Gesellschaft.